Woran wir forschen
Aktuelle Projekte im Überblick
Laufende Projekte
Heilsames Erinnern. Jüdische Studierende an der Wiener Tierärztlichen Hochschule und ihre Nachfahr*innen. Ein Folgeprojekt zur Geschichte jüdischer Studierender an der Vetmeduni Wien
Im Zentrum dieses biografisch orientierten Forschungsprojekts – mit dem CJS als Projektträger und dem David-Herzog-Fonds als Hauptsponsor – steht eine akademische Berufsgruppe, über deren Lebenswege im Nationalsozialismus wenig bekannt ist: Jüdische Tierärzte, die zwischen 1930 und 1938 an der Wiener Tierärztlichen Hochschule (TiHo) studiert haben, sowie deren Nachkommen in Israel.
Die damaligen Studierenden und – ausschließlich männlichen –Absolventen – insgesamt 42 Personen – kamen dabei nicht nur aus Österreich, sondern auch aus Polen, der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien. Was sie einte, war eine „altösterreichische“, jüdische Identität mit deutscher Muttersprache, der Studien- und Wohnortort Wien und in einigen Fällen weitverzweigte österreichische Verwandtschaftsbeziehungen.
Während die aus Wien stammenden, österreichischen Absolventen der TiHo mittlerweile gut dokumentiert sind, verlor sich von vielen anderen ab dem Zeitpunkt ihrer Graduierung die Spur. Die Suche nach diesen, vielfach aus dem osteuropäischen Raum stammenden Studierenden in Israel erneut aufzunehmen, erscheint nicht nur aus einer gesamteuropäischen Perspektive, sondern auch aus verschiedenen aktuellen Gründen ein Desiderat: Die 2018 erschienene Publikation Jüdische Studierende der Wiener Tierärztlichen Hochschule. Wege – Spuren – Schicksale. 1930–1947 (Lisa Rettl, Wallstein Verlag, 2018)eröffnete durch die Kontaktnahme israelischer Nachfahr*innen zahlreiche neue Hinweise, sodass nun im Kontext dieser lange vernachlässigten österreichischen Universitätsgeschichte wichtige Biografien anhand neuer Quellen rekonstruiert und geschrieben werden können. Dies gewinnt angesichts der gegenwärtig laufenden Entwicklungen an der Vetmeduni Wien an zusätzlicher Bedeutung, weil man hier als eine der letzten österreichischen Universitäten mit dem Aufbau einer zeitgemäßen Erinnerungskultur zur eigenen NS-Vergangenheit und den jüdischen Opfern der Hochschule beschäftigt ist.
Der Kontakt zwischen Lisa Rettl und den Nachfahr*innen von TiHo-Absolventen führt allerdings über das veterinärmedizinische Umfeld weit hinaus und tangiert ein höchst aktuelles Thema: Im Rahmen eines dreimonatigen Forschungsaufenthalts in Israel (Jänner bis April 2025) fragt Lisa Rettl im Rahmen von Interviews mit israelischen Nachfahr*innen von Holocaustüberlebenden u.a. danach, inwieweit der 7. Oktober 2023 den subjektiven Blick auf die eigene Familiengeschichte und die europäischen Wurzeln verändert und beeinflusst hat und inwieweit dies für den Umgang mit den gegenwärtigen Kriegserfahrungen von aktueller Bedeutung ist.
Wissenschaftlicher Lebenslauf
Dr.in Mag.a Lisa Rettl arbeitet als freischaffende Historikerin, Ausstellungskuratorin, Autorin und Therapeutin. Zu ihren Forschungsschwerpunkten – Geschichte des Nationalsozialismus, Erinnerungskultur, Minderheitenpolitik und antifaschistischer Widerstand, Wissenschafts- und Universitätsgeschichte – erschienen zahlreiche Bücher, Aufsätze und Sammelbände. Neben diversen Vortrags- und Lehrtätigkeiten kuratierte sie seit 2004 regelmäßig Ausstellungen zu verschiedenen zeitgeschichtlichen Themen, u.a. für die Stadt Villach und das Wien Museum. 2008/09 fungierte sie als Mitglied des internationalen Kuratorenteams der viel beachteten Wanderausstellung „Was damals Recht war“ Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht, 2012 übernahm sie die Leitung und Konzeption zur Neugestaltung des Museums Peršmanhofs. 2014 erschien eine Biografie zu dem Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani (gem. mit Magnus Koch), ferner zahlreiche biografische Artikel zu Frauen im Widerstand. Von 2014 bis 2018 leitete sie in Wien das FWF-Projekt „Die Tierärztliche Hochschule im Nationalsozialismus“ (peer-reviewed), wo sie universitätsgeschichtliches Neuland erschloss: Zwei Monografien zur Geschichte der Veterinärmedizinischen Universität Wien, (Wallstein Verlag 2018 und 2019), zeugen von ihrer vielschichtigen Arbeit im Bereich der Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Für ihre wissenschaftliche und kuratorische Arbeit erhielt Lisa Rettl zahlreiche wissenschaftliche Auszeichnungen, u.a. den Würdigungspreis der Universität Klagenfurt, den Theodor-Körner-Preis, den Hans-Marsalek-Preis, den Preis für Geistes- und Sozialwissenschaften des Landes Kärnten und zuletzt den Rizzi-Preis für ihre Arbeit im Bereich der interkulturellen Verständigung (2023). Derzeit forscht sie am Centrum für Jüdische Studien der Universität Graz, wo sie an ihr letztes großes Forschungsprojekt anknüpft und im Rahmen des Projekts „Heilsames Erinnern“ vertiefend zu Biografien jüdischer Tierärzte recherchiert: Im Rahmen ihres dreimonatigen Forschungsaufenthalts in Israel (Jänner bis April 2025) interviewt sie Nachkommen jüdischer Tierärzte und fragt u.a. auch danach, inwieweit der 7. Oktober 2023 den subjektiven Blick auf die eigene Familiengeschichte und die europäischen Wurzeln verändert und beeinflusst hat und inwieweit dies für den Umgang mit den aktuellen, als traumatisch erlebten Kriegserfahrungen von aktueller Bedeutung ist.
Kontakt: lisa(at)shecando.com
Multidirektionales Erinnern: Gedächtnis im Klassenzimmer
Multidirektionales Erinnern: Gedächtnis im Klassenzimmer
Seit dem Jahr 2022 beschäftigt der sogenannte Historikerstreit 2.0 die deutsche Gedenkkultur. Dabei wird in Frage gestellt, ob die staatlich getragene Erinnerungskultur mit dem Holocaust im Zentrum den gesellschaftlichen von Migration geprägten Realitäten der Gegenwart noch gerecht wird. Ist der Holocaust tatsächlich noch zentraler Bestandteil des historischen Bewusstseins und der historischen Erzählungen aller im Land lebenden Bürger:innen, oder treten ihm nicht andere (koloniale) Gewalterfahrungen zur Seite? Entsprechen also die dominanten historischen Erzählungen noch den Erfahrungshintergründen der Menschen und, falls das nicht der Fall sein sollte, welche bildungspolitischen Folgen ergeben sich aus den Unterschieden zwischen öffentlichem und privatem Erinnern?
Der Historikerstreit 2.0 stellt den Ausgangpunkt für das Projekt „Das Gedächtnis des Klassenzimmers. Multidirektionales Erinnern in Grazer Schulen“ dar. Dabei wird zunächst durch Lehrplan- und Schulbuchanalysen sowie Leitfrageninterviews mit Lehrpersonen erhoben, welche zeithistorischen Narrative in Grazer Mittelschulen und Gymnasien unterrichtet werden. Anschließend wird in lebensgeschichtlichen Interviews, die von den beteiligten Schüler:innen mit ihren Eltern und Großeltern geführt werden, empirisch erhoben, welche historischen Erzählungen in den Familiengedächtnissen vorhanden sind. Das Projekt wird an sechs Schulen im Grazer Stadtgebiet durchgeführt, die sich voneinander unterscheiden und daher eine große Bandbreite an Diversität abdecken. Ausgehend von diesen Interviews wird gemeinsam mit den Jugendlichen eine Wanderausstellung zum „multidirektionalen Erinnern in Grazer Schulen“ gestaltet sowie eine Buchpublikation, die der erwarteten Vielstimmigkeit der Erinnerung Rechnung trägt, erarbeitet. Wanderausstellung als auch Publikation werden durch didaktische Handreichungen ergänzt und basierend auf den Projektergebnissen werden Leitlinien für die zeithistorische und geschichtsdidaktische Pädagog:innenbildung und -fortbildung entwickelt.
Melanie Göttfried
Melanie Göttfried hat im Herbst 2024 ihr Masterstudium im Lehramt Geschichte, politische Bildung und Sozialkunde sowie Englisch erfolgreich abgeschlossen.
Im Rahmen des aktuellen Projekts ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Wien tätig und nutzt diese Position gleichzeitig für das Verfassen ihrer Dissertation, die thematisch an das Projekt anknüpfen wird.
Maria Pasaricek
Maria Pasaricek hat im Oktober 2024 ihr Masterstudium im Lehramt mit den Unterrichtsfächern Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung sowie Deutsch erfolgreich abgeschlossen. 2022 beendete sie ihr Bachelorstudium in Geschichte.
Im Rahmen des aktuellen Projekts ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Graz tätig und nutzt diese Position gleichzeitig für das Verfassen ihrer Dissertation, die thematisch an das Projekt anknüpfen wird.
Esraa Shehata
Esraa Shehata hat im November 2023 ihr Bachelorstudium im Lehramt mit den Unterrichtsfächern Geschichte, politische Bildung und Sozialkunde sowie Französisch erfolgreich abgeschlossen.
Im Rahmen des aktuellen Projekts ist sie als studentische Mitarbeiterin an der Universität Graz tätig und nutzt diese Position gleichzeitig für das Verfassen ihrer Masterarbeit, die thematisch an das Projekt anknüpfen wird.
UniGraz_1585–tomorrow: Website zur Universitätsgeschichte
Die Website „UniGraz_1585–tomorrow“ ist eine digitale Plattform, welche die Geschichte der Universität Graz von ihrer Gründung bis in die Gegenwart erzählt. Das Projekt steht im Zeichen einer „Digital Public History“ und bietet den User:innen die Möglichkeit, sich über multimediale Beiträge, die interaktive Zeitleiste und eine digitale Karte durch mehr als 430 Jahre Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte zu bewegen.
Auf „UniGraz_1585–tomorrow“ werden institutionelle Entwicklungen, wissenschaftliche Meilensteine sowie politische Brüche und Konflikte thematisiert. Es finden sich Beiträge zum Leben der Studierenden und zur regional wie globalen Verortung der Universität. Zentrale Akteur:innen der Uni-Geschichte und Personen, die von der Universität mit Ehrungen bedacht worden sind, werden auf der Website porträtiert. Ausgewählte museale Objekte aus den universitären Sammlungen veranschaulichen die bewegte Grazer Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte.
Im Fokus des Projekts stehen die Entwicklungen der Universität Graz seit ihrer Gründung mit einem Schwerpunkt auf die Verwerfungen im 20. Jahrhundert und somit eine kritische Auseinandersetzung mit den Themen Faschismus, Nationalsozialismus und Krieg. Ein wichtiger Teilbereich der Seite ist das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Als digitaler Erinnerungsraum stellt die Website Informationen zu den im Jahr 1938 vertriebenen Universitätsangehörigen und zu universitären Erinnerungszeichen bereit.
UniGraz_1585–tomorrow ist ein Projekt des Rektors der Uni Graz.
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Gerald Lamprecht (gerald.lamprecht(at)uni-graz.at)
Für die Konzeption verantwortlich: Mag. Marco Jandl, MA, Dr. Susanne Korbel, Univ.-Prof. Dr. Gerald Lamprecht
Projektmitarbeiter: Mag. Marco Jandl, MA
Universitätsintern finanziertes Projekt
Kooperationspartner:innen: Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Universitätsarchiv, Universitätsmuseen
Miteinander und Nebeneinander von Jüd:innen und Nichtjüd:innen in privaten Räumen in Zentraleuropa: Budapest und Wien, 1900–1930
In diesem Projekt untersuche ich persönliche Begegnungen zwischen Jüd:innen und Nichtjüd:innen in Budapest und Wien um 1900. Die Geschichtsschreibung über Jüd:innen zur beginnenden Moderne ist nach wie vor von einer Erzählung der privaten Isolation geprägt. Deshalb wurde jüdische Geschichte bisher häufig als partikular und nicht als Teil einer allgemeinen Geschichte verstanden. Das Fehlen von Studien zum privaten Alltagsleben in der Historiographie über Jüd:innen in der Habsburgermonarchie hat zu einem Narrativ der kulturellen Teilhabe, nicht aber der privaten Beteiligung geführt. Ohne eine adäquate Ausarbeitung nicht-exklusiver Erzählungen über die Jüd:innen in Budapest und Wien unterschätzen wir die Auswirkungen jüdisch-nichtjüdischer Beziehungen, insbesondere in den täglichen Routinen.
Mein Projekt schließt diese Lücke, indem es die vielfältigen Begegnungen zwischen Jüd:innen und Nichtjüd:innen in den "privaten" Räumen des täglichen Lebens analysiert. Ziel ist es, Wohn- und Arbeitsstätten in Budapest und Wien als Räume zu untersuchen und zu vergleichen, die Jüd:innen und Nichtjüd:innen in ihrer historischen Vergangenheit verbanden. Wo und wie kam man in Budapest und Wien um 1900 in "privaten" Räumen miteinander in Kontakt? Welche Auswirkungen hatten derartige tägliche Begegnungen auf Vorurteile?
Zur Realisierung des Projekts, das an der Schnittstelle von Jüdischen Studien, Kulturwissenschaft und Geschichtswissenschaft angesiedelt ist – und ebenso für Gender Studies und für Perspektiven auf interethnische Beziehungen in migrationsgeprägten Gesellschaften relevant ist – , verwende ich Ansätze der Alltagsgeschichte. Indem ich sowohl auf Ähnlichkeit wie auch auf Differenz basierende Identifikationen innerhalb von Wohnräumen, die ich als „private Nicht-Räume" bezeichne, in den Blick nehme, sollen neue Einsichten über Intimität gewonnen werden. Als solche „privaten Nicht-Räume“ untersuche ich Räume, die bisher nur selten im Fokus der Forschung zu jüdischen-nichtjüdischen Beziehungen gestanden haben: Wohn- und Schlafräume (u.a. Wohngemeinschaften mit Bettgeher:innen und Untermieter:innen, Hausangestellte, die in den Haushalten für die sie arbeiteten auch lebten), Räume der Heimarbeit (Produktion von Fabrikwaren in Privatwohnungen in Produktionsgemeinschaften) und Zwangsunterbringungen (Räume des erzwungenen Wohnens, auf die der Staat Zugriff hatte, wie z.B. Gefängnisse und Erziehungsanstalten, sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderung).
Projektleitung: Dr.phil. BA MA Susanne Korbel (susanne.korbel@uni-graz.at)
ESPRIT Projekt ESP120: https://www.fwf.ac.at/forschungsradar/10.55776/ESP120
Grant DOI: 10.55776/ESP120
Fördergeber: FWF
Deutschsprachig-jüdische Literatur
Das trinationale D-A-Ch Projekt unternimmt es, die deutschsprachig-jüdische Literatur seit der Aufklärung in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet, aufbauend auf einem kulturwissenschaftlichen Textverständnis, auf Ansätzen aus der Rezeptionsästhetik, der Übersetzungs-, Transfer-, Raum- und Medientheorie sowie der Wissenschaftsgeschichte exemplarisch und paradigmatisch zu erschließen. Konzeptuell leiten die sechs Handbücher „Tradition und Glauben“ (Basel), „Räume und Landschaften“ (Klagenfurt), „Sprachkulturen“ (Aachen), „Geschichtsdenken“ (Basel), „Wissen und Lernen“ (Basel/ Aachen) und „Wechselbeziehungen“ (Graz) nicht Master-Narrative an, sondern forschungsgeleitete Paradigmen, um in einer integralen Darstellung aufzuzeigen, dass jüdisches Denken und deutschsprachig-jüdische Literatur seit dem Ende des 18. Jahrhunderts nicht primär assimilatorisch an künstlerisch-literarischen und wissenschaftlichen Entwicklungen im deutschsprachigen Raum ausgerichtet waren, sondern dass sie diese in dialogischer Weise nachhaltig und Impuls gebend mit konstituierten.
Das von Graz betreute Handbuch widmet sich komparatistisch und literatursoziologisch „Wechselbeziehungen“ und lenkt den Blick auf die vielfältigen Verbindungen, Austauschprozesse und die Verwobenheit kultureller Praktiken. Es versteht die deutschsprachig-jüdische Literatur als diskursiven Raum für gesellschaftlich-kulturelle Aushandlungsprozesse.
Projektleiter: Priv.-Doz. Dr.phil. M.A Olaf Terpitz
Fördergeber: FWF, DFG, SNF
Die Radikalisierung des Antisemitismus in Österreich 1914 bis 1923
Der Erste Weltkrieg mit seinen sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Erschütterungen hatte fundamentale Auswirkungen auf die gesellschaftliche Entwicklung Europas. Die Phase des Übergangs von dynastisch verfassten multiethnischen Imperien hin zu neuen ‚National‘staaten in Zentraleuropa war von fundamentalen wirtschaftlichen Einbrüchen, sozialen Spannungen sowie Erschütterungen der Mentalitäten durch die Folgen der Kriegserfahrungen geprägt. Zugehörigkeit und/oder Fremdheit waren Themen heftiger gesellschaftlicher und politischer Kontroversen, in deren Zentrum immer wieder die jüdische Bevölkerung stand.
Diese führte vor allem auch zu einer massiven Zunahme ebenso wie Radikalisierung des Antisemitismus in all seinen bekannten aber auch neuen Ausprägungen und Erscheinungsformen. Ausgehend von und eingebettet in die gesamteuropäische Entwicklung widmet sich das hier vorgestellte Projekt den Entwicklungen des Antisemitismus in den mehrheitlich deutschsprachigen Gebieten der untergehenden Habsburgermonarchie sowie der in diesem Raum neu entstehenden Republik Deutschösterreich/Österreich. Im Fokus steht zum einen die Analyse des Antisemitismus in seinen traditionellen als auch neuen, den politischen Entwicklungen geschuldeten Erscheinungsformen. Untersucht werden soll, ob es neben der immer wieder konstatierten Zunahme und Radikalisierung des Antisemitismus in den Jahren von 1914 bis 1923 auch zu einer Transformation antisemitischer Bilder und Stereotype kam.
Eng damit verbunden geht es zum anderen auch um die Frage nach den Akteur:innen des Antisemitismus. Hierbei werden vor allem zwei miteinander korrelierende Akteursgruppen im besonderen Maße in den Blick genommen werden. Politische Parteien sowie neu entstehende antisemitische Vereine und Organisationen.
Fördergeber: Doktoratsstipendium der Fondation pour la Mémoire de la Shoah.
Stipendium-Programm: Geschichte des Antisemitismus und der Shoah
Digitale Erinnerungslandschaft (DERLA): Digitale Erinnerungspädagogik im Umgang mit den Opfern des Nationalsozialismus (www.erinnerungslandschaft.at)
Die Digitale Erinnerungslandschaft Österreichs (DERLA) ist ein interdisziplinäres Dokumentations- und Vermittlungsprojekt. Es dokumentiert die Erinnerungsorte und -zeichen für die Opfer sowie die Orte des Terrors des Nationalsozialismus in Österreich und setzt sich die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Erinnerung an ihn und seine Opfer zum Ziel. In einem ersten Schritt wurden in der Steiermark und in Vorarlberg an die 700 Erinnerungszeichen dokumentiert und historisch beschrieben. Darüber hinaus wurden an die 30 Vermittlungsangebote zur Arbeit mit Schüler:innen entwickelt. Im nächsten Jahr wird DERLA um die Erinnerungszeichen und Vermittlungsangebote von Tirol und Kärnten erweitert werden. Letztlich sollen alle österreichischen Erinnerungszeichen in DERLA dokumentiert werden.
DERLA unterscheidet zwischen manifesten und nicht-manifesten Erinnerungsorten. Unter manifesten Erinnerungsorten werden jene verstanden, die durch Erinnerungszeichen (Denkmäler, Gedenktafeln, u.a.) als Erinnerungsorte in der Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden. Nicht-manifeste Erinnerungsorte sind Erinnerungsorte, die bislang über kein öffentlich sichtbares Erinnerungszeichen verfügen, jedoch einen historischen Bezug zu Opfern und/oder dem Terror des Nationalsozialismus und Faschismus aufweisen. Ihnen wird mit DERLA ein virtuelles Zeichen gesetzt.
Jeder Erinnerungsort wird mit Informationen zum historischen Ereignis oder den Personen, an die am Ort erinnert wird, ebenso wie zur Geschichte des Erinnerungszeichens/-ortes selbst versehen. Weiters werden die Erinnerungszeichen/-orte zur besseren Orientierung der Nutzer:innen sowie in Bezug auf die Vermittlungsangebote unterschiedlichen Kategorien zugeordnet. Diese Kategorien orientieren sich an der Intention der Stifter:innen und Errichter:innen der Erinnerungszeichen sowie im Fall der nicht-manifesten Erinnerungsorte an den historischen Ereignissen/Erfahrungen, die mit dem jeweiligen Ort verbunden sind.
DERLA besteht aus vier wesentlichen Elementen:
- Eine interaktive Karte der Erinnerung führt zu den einzelnen Erinnerungsorten und -zeichen und macht deren Geschichte sichtbar. Mittels Filter- und Suchfunktionen können Sie umfangreiche Recherchen durchführen.
- Im Archiv der Namen werden all jene Menschen, die auf den Erinnerungszeichen genannt und erinnert werden, biografisch vorgestellt. DERLA setzt ihnen ein virtuelles Erinnerungszeichen. Derzeit sind mehr als 1300 Biographien in DERLA erfasst.
- Im Vermittlungsportal finden sich ortsgebundene und ortungebundene Angebote für die schulische Vermittlungsarbeit. Das historische Lernen mit DERLA kann sowohl vor Ort als auch im Klassenzimmer erfolgen.
- Die Wege der Erinnerung führen entlang kuratierter Routen in spezifische Themen der Geschichte des Nationalsozialismus und der Erinnerungskultur ein. Sie sind virutelle Ausstellungen zu spezifischen Themen.
DERLA ist ein laufendes Projekt, das auch auf die Mitarbeit und die Rückmeldungen der Nutzer:innen von erinnerungslandschaft.at angewiesen ist. Recherchieren Sie in DERLA und arbeiten Sie damit in Ihrer täglichen Vermittlungsarbeit. Melden Sie uns Ihre Eindrücke und Ihr Feedback zurück.
Kontakt:
E-Mail: derla(at)uni-graz.at
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Gerald Lamprecht
Fördergeber:innen: Zukunftsfonds Steiermark, Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus, Zukunftsfonds der Republik Österreich, Stadt Graz: Wissenschaft
Kooperationspartner:innen: _erinnern.at_ Nationalsozialismus und Holocaust: Gedächtnis und Gegenwart, ZIM Zentrum für Informationsmodellierung der Karl-Franzens-Universität Graz
Vertriebene Wissenschaftler:innen und Studierende der Universität Graz 1938
2023 jährt sich der „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland zum 85sten Mal und damit auch die rassistisch und politisch motivierte Vertreibung von Angehörigen der Universität Graz. Ausgehend von Forschungen zur Nazifizierung und Entnazifizierung der Universität, widmet sich dieses Projekt nun erstmals den Einzelschicksalen von Wissenschaftler:innen und Studierenden, die im Jahr 1938 von der Universität vertrieben wurden und fliehen mussten. Bisherige Forschungen haben zwar bereits die Namen der von der NS-Verfolgung betroffenen Mitglieder der Universität Graz benannt, doch weitergehende biographische Forschungen wurden bislang mit wenigen Ausnahmen im Fall von bekannten Persönlichkeiten nicht durchgeführt.
In diesem Projekt sollen die Biographien aller 1938 auf Grund rassistischer und politischer Verfolgung von der Universität Graz vertriebener Wissenschafter:innen auf Basis umfangreicher Quellen- und Literaturarbeit recherchiert werden. Die recherchierten Biografien werden in einem gedruckten Gedenkbuch veröffentlicht und weiters als biografische Einträge auf dem Webportal der Universität Graz „UniGraz_1585–tomorrow“ abrufbar sein, womit auch ein digitaler Erinnerungsraum geschaffen wird.
Projektmitarbeiter: BA Mag.phil. MA Marco Jandl
Fördergeber:innen: Nationalfonds der Republik Österreich, Zukunftsfonds der Republik Österreich, Stadt Graz - Wissenschaft, Land Steiermark - Wissenschaft, David-Herzog-Fonds der steirischen Universitäten