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UniGraz_1585–tomorrow: Website zur Universitätsgeschichte
Die Website „UniGraz_1585–tomorrow“ ist eine digitale Plattform, welche die Geschichte der Universität Graz von ihrer Gründung bis in die Gegenwart erzählt. Das Projekt steht im Zeichen einer „Digital Public History“ und bietet den User:innen die Möglichkeit, sich über multimediale Beiträge, die interaktive Zeitleiste und eine digitale Karte durch mehr als 430 Jahre Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte zu bewegen.
Auf „UniGraz_1585–tomorrow“ werden institutionelle Entwicklungen, wissenschaftliche Meilensteine sowie politische Brüche und Konflikte thematisiert. Es finden sich Beiträge zum Leben der Studierenden und zur regional wie globalen Verortung der Universität. Zentrale Akteur:innen der Uni-Geschichte und Personen, die von der Universität mit Ehrungen bedacht worden sind, werden auf der Website porträtiert. Ausgewählte museale Objekte aus den universitären Sammlungen veranschaulichen die bewegte Grazer Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte.
Im Fokus des Projekts stehen die Entwicklungen der Universität Graz seit ihrer Gründung mit einem Schwerpunkt auf die Verwerfungen im 20. Jahrhundert und somit eine kritische Auseinandersetzung mit den Themen Faschismus, Nationalsozialismus und Krieg. Ein wichtiger Teilbereich der Seite ist das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Als digitaler Erinnerungsraum stellt die Website Informationen zu den im Jahr 1938 vertriebenen Universitätsangehörigen und zu universitären Erinnerungszeichen bereit.
UniGraz_1585–tomorrow ist ein Projekt des Rektors der Uni Graz.
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Gerald Lamprecht (gerald.lamprecht(at)uni-graz.at)
Für die Konzeption verantwortlich: Mag. Marco Jandl, MA, Dr. Susanne Korbel, Univ.-Prof. Dr. Gerald Lamprecht
Projektmitarbeiter: Mag. Marco Jandl, MA
Universitätsintern finanziertes Projekt
Kooperationspartner:innen: Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Universitätsarchiv, Universitätsmuseen
Miteinander und Nebeneinander von Jüd:innen und Nichtjüd:innen in privaten Räumen in Zentraleuropa: Budapest und Wien, 1900–1930
In diesem Projekt untersuche ich persönliche Begegnungen zwischen Jüd:innen und Nichtjüd:innen in Budapest und Wien um 1900. Die Geschichtsschreibung über Jüd:innen zur beginnenden Moderne ist nach wie vor von einer Erzählung der privaten Isolation geprägt. Deshalb wurde jüdische Geschichte bisher häufig als partikular und nicht als Teil einer allgemeinen Geschichte verstanden. Das Fehlen von Studien zum privaten Alltagsleben in der Historiographie über Jüd:innen in der Habsburgermonarchie hat zu einem Narrativ der kulturellen Teilhabe, nicht aber der privaten Beteiligung geführt. Ohne eine adäquate Ausarbeitung nicht-exklusiver Erzählungen über die Jüd:innen in Budapest und Wien unterschätzen wir die Auswirkungen jüdisch-nichtjüdischer Beziehungen, insbesondere in den täglichen Routinen.
Mein Projekt schließt diese Lücke, indem es die vielfältigen Begegnungen zwischen Jüd:innen und Nichtjüd:innen in den "privaten" Räumen des täglichen Lebens analysiert. Ziel ist es, Wohn- und Arbeitsstätten in Budapest und Wien als Räume zu untersuchen und zu vergleichen, die Jüd:innen und Nichtjüd:innen in ihrer historischen Vergangenheit verbanden. Wo und wie kam man in Budapest und Wien um 1900 in "privaten" Räumen miteinander in Kontakt? Welche Auswirkungen hatten derartige tägliche Begegnungen auf Vorurteile?
Zur Realisierung des Projekts, das an der Schnittstelle von Jüdischen Studien, Kulturwissenschaft und Geschichtswissenschaft angesiedelt ist – und ebenso für Gender Studies und für Perspektiven auf interethnische Beziehungen in migrationsgeprägten Gesellschaften relevant ist – , verwende ich Ansätze der Alltagsgeschichte. Indem ich sowohl auf Ähnlichkeit wie auch auf Differenz basierende Identifikationen innerhalb von Wohnräumen, die ich als „private Nicht-Räume" bezeichne, in den Blick nehme, sollen neue Einsichten über Intimität gewonnen werden. Als solche „privaten Nicht-Räume“ untersuche ich Räume, die bisher nur selten im Fokus der Forschung zu jüdischen-nichtjüdischen Beziehungen gestanden haben: Wohn- und Schlafräume (u.a. Wohngemeinschaften mit Bettgeher:innen und Untermieter:innen, Hausangestellte, die in den Haushalten für die sie arbeiteten auch lebten), Räume der Heimarbeit (Produktion von Fabrikwaren in Privatwohnungen in Produktionsgemeinschaften) und Zwangsunterbringungen (Räume des erzwungenen Wohnens, auf die der Staat Zugriff hatte, wie z.B. Gefängnisse und Erziehungsanstalten, sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderung).
Projektleitung: Dr.phil. BA MA Susanne Korbel (susanne.korbel@uni-graz.at)
Fördergeber: FWF
Deutschsprachig-jüdische Literatur
Das trinationale D-A-Ch Projekt unternimmt es, die deutschsprachig-jüdische Literatur seit der Aufklärung in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet, aufbauend auf einem kulturwissenschaftlichen Textverständnis, auf Ansätzen aus der Rezeptionsästhetik, der Übersetzungs-, Transfer-, Raum- und Medientheorie sowie der Wissenschaftsgeschichte exemplarisch und paradigmatisch zu erschließen. Konzeptuell leiten die sechs Handbücher „Tradition und Glauben“ (Basel), „Räume und Landschaften“ (Klagenfurt), „Sprachkulturen“ (Aachen), „Geschichtsdenken“ (Basel), „Wissen und Lernen“ (Basel/ Aachen) und „Wechselbeziehungen“ (Graz) nicht Master-Narrative an, sondern forschungsgeleitete Paradigmen, um in einer integralen Darstellung aufzuzeigen, dass jüdisches Denken und deutschsprachig-jüdische Literatur seit dem Ende des 18. Jahrhunderts nicht primär assimilatorisch an künstlerisch-literarischen und wissenschaftlichen Entwicklungen im deutschsprachigen Raum ausgerichtet waren, sondern dass sie diese in dialogischer Weise nachhaltig und Impuls gebend mit konstituierten.
Das von Graz betreute Handbuch widmet sich komparatistisch und literatursoziologisch „Wechselbeziehungen“ und lenkt den Blick auf die vielfältigen Verbindungen, Austauschprozesse und die Verwobenheit kultureller Praktiken. Es versteht die deutschsprachig-jüdische Literatur als diskursiven Raum für gesellschaftlich-kulturelle Aushandlungsprozesse.
Projektleiter: Priv.-Doz. Dr.phil. M.A Olaf Terpitz
Fördergeber: FWF, DFG, SNF
Die Radikalisierung des Antisemitismus in Österreich 1914 bis 1923
Der Erste Weltkrieg mit seinen sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Erschütterungen hatte fundamentale Auswirkungen auf die gesellschaftliche Entwicklung Europas. Die Phase des Übergangs von dynastisch verfassten multiethnischen Imperien hin zu neuen ‚National‘staaten in Zentraleuropa war von fundamentalen wirtschaftlichen Einbrüchen, sozialen Spannungen sowie Erschütterungen der Mentalitäten durch die Folgen der Kriegserfahrungen geprägt. Zugehörigkeit und/oder Fremdheit waren Themen heftiger gesellschaftlicher und politischer Kontroversen, in deren Zentrum immer wieder die jüdische Bevölkerung stand.
Diese führte vor allem auch zu einer massiven Zunahme ebenso wie Radikalisierung des Antisemitismus in all seinen bekannten aber auch neuen Ausprägungen und Erscheinungsformen. Ausgehend von und eingebettet in die gesamteuropäische Entwicklung widmet sich das hier vorgestellte Projekt den Entwicklungen des Antisemitismus in den mehrheitlich deutschsprachigen Gebieten der untergehenden Habsburgermonarchie sowie der in diesem Raum neu entstehenden Republik Deutschösterreich/Österreich. Im Fokus steht zum einen die Analyse des Antisemitismus in seinen traditionellen als auch neuen, den politischen Entwicklungen geschuldeten Erscheinungsformen. Untersucht werden soll, ob es neben der immer wieder konstatierten Zunahme und Radikalisierung des Antisemitismus in den Jahren von 1914 bis 1923 auch zu einer Transformation antisemitischer Bilder und Stereotype kam.
Eng damit verbunden geht es zum anderen auch um die Frage nach den Akteur:innen des Antisemitismus. Hierbei werden vor allem zwei miteinander korrelierende Akteursgruppen im besonderen Maße in den Blick genommen werden. Politische Parteien sowie neu entstehende antisemitische Vereine und Organisationen.
Fördergeber: Doktoratsstipendium der Fondation pour la Mémoire de la Shoah.
Stipendium-Programm: Geschichte des Antisemitismus und der Shoah
Digitale Erinnerungslandschaft (DERLA): Digitale Erinnerungspädagogik im Umgang mit den Opfern des Nationalsozialismus (www.erinnerungslandschaft.at)
Die Digitale Erinnerungslandschaft Österreichs (DERLA) ist ein interdisziplinäres Dokumentations- und Vermittlungsprojekt. Es dokumentiert die Erinnerungsorte und -zeichen für die Opfer sowie die Orte des Terrors des Nationalsozialismus in Österreich und setzt sich die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Erinnerung an ihn und seine Opfer zum Ziel. In einem ersten Schritt wurden in der Steiermark und in Vorarlberg an die 700 Erinnerungszeichen dokumentiert und historisch beschrieben. Darüber hinaus wurden an die 30 Vermittlungsangebote zur Arbeit mit Schüler:innen entwickelt. Im nächsten Jahr wird DERLA um die Erinnerungszeichen und Vermittlungsangebote von Tirol und Kärnten erweitert werden. Letztlich sollen alle österreichischen Erinnerungszeichen in DERLA dokumentiert werden.
DERLA unterscheidet zwischen manifesten und nicht-manifesten Erinnerungsorten. Unter manifesten Erinnerungsorten werden jene verstanden, die durch Erinnerungszeichen (Denkmäler, Gedenktafeln, u.a.) als Erinnerungsorte in der Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden. Nicht-manifeste Erinnerungsorte sind Erinnerungsorte, die bislang über kein öffentlich sichtbares Erinnerungszeichen verfügen, jedoch einen historischen Bezug zu Opfern und/oder dem Terror des Nationalsozialismus und Faschismus aufweisen. Ihnen wird mit DERLA ein virtuelles Zeichen gesetzt.
Jeder Erinnerungsort wird mit Informationen zum historischen Ereignis oder den Personen, an die am Ort erinnert wird, ebenso wie zur Geschichte des Erinnerungszeichens/-ortes selbst versehen. Weiters werden die Erinnerungszeichen/-orte zur besseren Orientierung der Nutzer:innen sowie in Bezug auf die Vermittlungsangebote unterschiedlichen Kategorien zugeordnet. Diese Kategorien orientieren sich an der Intention der Stifter:innen und Errichter:innen der Erinnerungszeichen sowie im Fall der nicht-manifesten Erinnerungsorte an den historischen Ereignissen/Erfahrungen, die mit dem jeweiligen Ort verbunden sind.
DERLA besteht aus vier wesentlichen Elementen:
- Eine interaktive Karte der Erinnerung führt zu den einzelnen Erinnerungsorten und -zeichen und macht deren Geschichte sichtbar. Mittels Filter- und Suchfunktionen können Sie umfangreiche Recherchen durchführen.
- Im Archiv der Namen werden all jene Menschen, die auf den Erinnerungszeichen genannt und erinnert werden, biografisch vorgestellt. DERLA setzt ihnen ein virtuelles Erinnerungszeichen. Derzeit sind mehr als 1300 Biographien in DERLA erfasst.
- Im Vermittlungsportal finden sich ortsgebundene und ortungebundene Angebote für die schulische Vermittlungsarbeit. Das historische Lernen mit DERLA kann sowohl vor Ort als auch im Klassenzimmer erfolgen.
- Die Wege der Erinnerung führen entlang kuratierter Routen in spezifische Themen der Geschichte des Nationalsozialismus und der Erinnerungskultur ein. Sie sind virutelle Ausstellungen zu spezifischen Themen.
DERLA ist ein laufendes Projekt, das auch auf die Mitarbeit und die Rückmeldungen der Nutzer:innen von erinnerungslandschaft.at angewiesen ist. Recherchieren Sie in DERLA und arbeiten Sie damit in Ihrer täglichen Vermittlungsarbeit. Melden Sie uns Ihre Eindrücke und Ihr Feedback zurück.
Kontakt:
E-Mail: derla(at)uni-graz.at
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Gerald Lamprecht
Fördergeber:innen: Zukunftsfonds Steiermark, Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus, Zukunftsfonds der Republik Österreich, Stadt Graz: Wissenschaft
Kooperationspartner:innen: _erinnern.at_ Nationalsozialismus und Holocaust: Gedächtnis und Gegenwart, ZIM Zentrum für Informationsmodellierung der Karl-Franzens-Universität Graz
Vertriebene Wissenschaftler:innen und Studierende der Universität Graz 1938
2023 jährt sich der „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland zum 85sten Mal und damit auch die rassistisch und politisch motivierte Vertreibung von Angehörigen der Universität Graz. Ausgehend von Forschungen zur Nazifizierung und Entnazifizierung der Universität, widmet sich dieses Projekt nun erstmals den Einzelschicksalen von Wissenschaftler:innen und Studierenden, die im Jahr 1938 von der Universität vertrieben wurden und fliehen mussten. Bisherige Forschungen haben zwar bereits die Namen der von der NS-Verfolgung betroffenen Mitglieder der Universität Graz benannt, doch weitergehende biographische Forschungen wurden bislang mit wenigen Ausnahmen im Fall von bekannten Persönlichkeiten nicht durchgeführt.
In diesem Projekt sollen die Biographien aller 1938 auf Grund rassistischer und politischer Verfolgung von der Universität Graz vertriebener Wissenschafter:innen auf Basis umfangreicher Quellen- und Literaturarbeit recherchiert werden. Die recherchierten Biografien werden in einem gedruckten Gedenkbuch veröffentlicht und weiters als biografische Einträge auf dem Webportal der Universität Graz „UniGraz_1585–tomorrow“ abrufbar sein, womit auch ein digitaler Erinnerungsraum geschaffen wird.
Projektmitarbeiter: BA Mag.phil. MA Marco Jandl
Fördergeber:innen: Nationalfonds der Republik Österreich, Zukunftsfonds der Republik Österreich, Stadt Graz - Wissenschaft, Land Steiermark - Wissenschaft, David-Herzog-Fonds der steirischen Universitäten