Zu Gast am Centrum für Jüdische Studien
Unsere Gastprofessor:innen im Gespräch
Dr. Martina Niedhammer (Gastprofessorin im Wintersemester 2023/2024)
Womit beschäftigen Sie sich derzeit in Ihren Forschungen?
Derzeit schreibe ich an einem Buch, das sich mit „kleinen“ Sprachen im Europa des 19. und frühen 20. Jahrhundert aus einer kulturgeschichtlichen Perspektive befasst. Unter „kleinen“ Sprachen verstehe ich Sprachen, die aus Sicht ihrer Sprechenden von „großen“ Sprachen dominiert wurden, denen es also an Akzeptanz und Prestige, aber oft auch an einem verbindlichen grammatischen Standard mangelte. Mich interessieren daran besonders die Strategien, die Sprachaktivistinnen und -aktivisten wählten, um „ihrer“ Sprache zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Eine Möglichkeit bestand darin, Allianzen mit Vertretern anderer „kleiner“ Sprachen einzugehen, ein Phänomen, das wir zum Beispiel zeitweise bei jiddisch- und belarusisch-, aber auch ukrainischsprachigen Akteuren betrachten können. Im Falle des Jiddischen verweisen diese Verflechtungen auch auf die vielen Berührungspunkte und Ähnlichkeiten einer jüdischen mit nichtjüdischen Sprachbewegungen.
Was ist Ihnen ein besonderes Anliegen in Ihrer Lehre als Gastprofessorin?
Besonders wichtig ist mir das intensive Gespräch mit den Studierenden sowie die Möglichkeit, Themen interdisziplinär zu erarbeiten. Gerade letzteres kommt in der Lehre leider oftmals zu kurz, beispielsweise, weil es in gängigen Curricula nicht abgebildet werden kann. Die kulturgeschichtliche Ausrichtung des Centrums für Jüdische Studien, das verschiedene Zugänge und Fächer unter seinem Dach vereint, bietet hierfür einen idealen Rahmen. So konnte ich in meinem Seminar zu jüdischen Esskulturen in Zentraleuropa gemeinsam mit den Studierenden nicht nur ein intensives historisches Quellenstudium in jüdischen Kochbüchern und handschriftlichen Rezeptsammlungen betreiben. Auch literarische Texte und Bilder, vor allem aber auch Fragestellungen und Methoden, die die Studierenden aus ihrem Studium etwa der Kulturanthropologie oder der Religionswissenschaft mitbrachten, spielten eine Rolle. Am Ende stand sogar eine praktische Auseinandersetzung mit dem Konzept des „kosher style“ auf dem Seminar(speise-)plan…
Was gefällt Ihnen am Uni-Standort Graz?
Die zentrale Lage mitten in der historischen Altstadt ist wunderschön. Wichtige Orte im Unialltag sind fußläufig erreichbar, und es gibt sogar Dienstfahrräder mit Unilogo. Gut gefallen hat mir auch, dass man über zentrale Angebote, wie den wöchentlichen Newsletter, einen kleinen Einblick in das erhält, was sich an anderen Instituten und Zentren tut. Das verstärkt das Gefühl, an einem gemeinsamen Ort zu forschen und zu arbeiten.