Einladung zum feld*stellen der Vielen
am: Montag 16. Juni 2025, 17.15-19.00 Uhr
im: Hof des Unicorn, Schubertstraße 6a, bei der Platane
Im Rahmen der Ringvorlesung Extremismus, veranstaltet vom Institut für Rechtswissenschaftliche Grundlagen der Universität Graz, findet am Montag, 16. Juni 2025 von 17.15 bis 19.00 Uhr eine Veranstaltung zum Thema „Kunst und Extremismus“ statt.
Dabei wird der Hörsaal verlassen und ein Ort am Campus der Universität Graz aufgesucht, dem ein Mahnmal gegen Rechtsextremismus und für eine plurale Gesellschaft eingeschrieben ist. Die Rede ist von einem künstlerischen Ensemble im Stiegenhaus des Unicorn-Gebäudes in der Schubertstraße 6a, das in der NS-Zeit als Hauptsitz des Studentenwerks Graz diente. Dort befinden sich bis heute zwei nationalsozialistische Wandbilder, die 1997 durch eine künstlerische Intervention des Künstlers Richard Kriesche und des damaligen Rektors Helmut Konrad erinnerungspolitisch kommentiert und 2017 in dieser Kombination unter Denkmalschutz gestellt wurden.
Auf diese historische Gemengelage reagiert seit dem Umbau des Gebäudes im Jahr 2021 ein interdisziplinäres Projekt-Team der Universität Graz sowie der Grazer Zivilgesellschaft in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Elisabeth Schmirl. Die Ausgangsbasis für das Kunst- und Gedenkprojekt „Weil es so viele sind.“ (Elisabeth Schmirl, 2023) bilden biografische Porträts und Botschaften einer Vielzahl zeitgenössischer und historischer, realer und fiktiver Akteur*innen,
welche die Nutzer*innen des Stiegenhauses zur Reflexion über eine Gesellschaft und Universität
der Vielen anregen.
In diesem visuellen und räumlichen Gefüge, in dem „Menschen und Bildgestalten in einem Spektrum der Vielfalt zueinander finden“ und den Ort zu einem „multiperspektivischen Raum für Begegnung, Erinnern und Gedenken“ (Elisabeth Schmirl) machen, laden wir im Rahmen der Ringvorlesung „Extremismus“ zum feld*stellen der Vielen ein.
Die Betrachtung von Kunst und Extremismus wird hier zu einer praktischen Übung. Alle Teilnehmenden sind Teil der Performance/des Geschehens, ohne selbst Künstler*in sein zu müssen. Das Erlebte wird danach unter Bezugnahme auf persönliche Erfahrungen sowie auf kultur- und erinnerungstheoretische Leitideen gemeinsam reflektiert. Die Vorlesung zu Kunst und Extremismus erhält so eine spezifische Form, die Einblick in eine künstlerische Strategie gibt – nämlich die der Wissensvermittlung und Körperwahrnehmung als Instrument in einem Reflexions- und Transformationsprozess.
Durch eine moderierte Platzierung der Teilnehmenden auf Markierungen, die im Stiegenhaus eine Netzstruktur bilden, entsteht temporär eine soziale Plastik als aktuelle kulturelle Praxis des gemeinsamen Erinnerns und Gedenkens, eine klare Position gegen Rechtsextremismus – und für eine plurale Gesellschaft. Jede*r steht für sich und ist gleichzeitig Teil eines sozialen Gefüges. Im Rahmen des feld*stellens werden kurze Passagen aus historischen Biografien sowie aus Interviews mit Zeitgenoss*innen gelesen, die das im Rahmen von Lehr- und Forschungsprojekten erhobene Ausgangsmaterial für die Wandbilder von Elisabeth Schmirl bildeten.
Beendet wird das feld*stellen der Vielen durch eine eigens komponierte Soundinstallation von Margarethe Maierhofer-Lischka, durch die ein gemeinsamer Resonanzraum des einander Hörens, bestenfalls der inneren Stille gestiftet wird.
Nach der Inszenierung im Stiegenhaus findet im Konferenzdeck des Unicorn ein gemeinsames Reflektieren und Diskutieren des Themenfeldes „Kunst und Extremismus“ unter Bezugnahme auf das soeben Erlebte sowie auf Überlegungen zur Kollaboration
zwischen Kunst und Wissenschaft im Dienste der Analyse und Verhandlung gesellschaftlicher Problemfelder statt.
Konzeption und Moderation: Heidrun Primas (Unabhängige Kulturakteurin) und Judith Laister (Universität Graz, Institut für Kulturanthropologie)
Mit: Elisabeth Schmirl (Künstlerin), Jasmin Leb-Idris und Jakob Leb (Architektur Unicorn), Margarethe Makovec und Anton Lederer (<rotor> Zentrum für zeitgenössische Kunst), Gerald Lamprecht (Centrum für Jüdische Studien), Heimo Halbrainer (Historiker und
Publizist), Brigitte Kukovetz (Universität Graz, Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft, Arbeitsbereich Migration – Diversität – Bildung) und Heidrun Zettelbauer (Universität Graz, Institut für Geschichte / Kultur- und Geschlechtergeschichte) sowie mit Teilnehmer*innen des Kunst-, Forschungs- und Gedenkprojekts „Weil es so viele sind.“
feld*stellen
Präsenz der Vielen
feldstellen* wurde 2017 von Franziska Hederer und Heidrun Primas initiiert und gemeinsam mit einem Kreis von Künstler:innen rund um das Forum Stadtpark Graz (Nayari Castillo, Robin Klengel, Margarethe Maierhofer-Lischka, Helene Thümmel, Clara Wildberger,
Nikolaos Zachariadis) in Kooperation mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark für den Sonnenaufgang am Platz der Menschenrechte, am internationalen Tag der Menschenrechte (10.12.) entwickelt, um in einer Gegenwart, die aus den Fugen gerät, in der Menschen sich ausgrenzend auf nationale Identität beziehen, dem Wunsch nach einem lebendigen und solidarischen Miteinander Ausdruck zu verleihen. In einem Abstand von jeweils 1,8 Metern zueinander stehend, bilden die Menschen ein Monument der Empathie der Vielen, eine temporäre soziale Plastik in kraftvoller Stille.
Mittlerweile heißt es feld*stellen. Seither wurde das künstlerische Format mehrmals auf unterschiedlichen öffentlichen Plätzen von
Heidrun Primas angeleitet und umgesetzt, unter anderem am Grazer Freiheitsplatz als Kundgebungsform für das “Wochenende für Moria”, für Menschen auf der Flucht; zum Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome 1938, gegen Terror, Hass, Antisemitismus und Krieg; als feministisches Zeichen gegen männliche Gewalt; vor der Grazer Schutzengelkirche, nach einem Friedenskonzert im Rahmen von Sounding Jerusalem; als Friedenskundgebung am Hauptplatz von Frohnleiten; als gemeinsames Statement zum Internationalen Frauentag am Hauptplatz von Pöllau, zu Gleichstellung, Frieden und solidarischem Miteinander, ...